SAP zieht sich aus dem CRM-Wettbewerb mit Salesforce zurück und konzentriert sich auf seine Kernbereiche
31.01.23 09:40
Stephan Heibel

Letzte Woche hat Deutschlands größer Softwarekonzern SAP Q-Zahlen
vorgelegt, die im Rahmen der Erwartungen liegen: 12%
Umsatzwachstum auf 8,44 Mrd. Euro und 17% Gewinnwachstum auf 1,71
Mrd. Euro. Der Cloud-Umsatz ist um 30% auf 1,71 Mrd. Euro
gewachsen. Für das Jahr 2023 prognostiziert SAP einen Gewinn von
8,8 - 9,1 Mrd. Euro, etwas mehr als von Analysten erwartet. Die
Aktie war in den vergangenen drei Monaten um 30% angesprungen und
gab nach den Zahlen etwas ab.
3.000 Stellen möchte SAP weltweit streichen, das sind etwa 2,7%
des Personals. CFO Luka Mucic erwartet davon Einsparungen in Höhe
von 300 - 350 Mio. Euro. Ich gehe in unserer aktuellen
Heibel-Ticker Ausgabe auf die Stellenstreichungen der IT-Branche
gesondert ein.
Die eigentlich interessanten Themen befanden sich jedoch im
Kleingedruckten. CEO Christian Klein möchte SAP auf das
Kerngeschäft fokussieren. Qualtrics wurde 2018 vom damaligen CEO
Bill McDermott gekauft, um die Online-Datenanalyse in die
SAP-Produkte einzubinden. Es war der Versuch, dem erfolgreichen
Wettbewerber Salesforce etwas entgegen zu setzen.
Während SAP ursprünglich in der Finanzbuchhaltung zu Hause war und
seine Expertise auf die Beschaffungslogistik ausweiten konnte,
punktete Salesforce beim Vertrieb und dem Kundenmanagement.
SAP-Software wird daher als ERP (Enterprise Resource Planning)
bezeichnet, während Salesforce CRM (Customer Relationship
Management) anbietet.
Trennung von Qualtrics
Wer von Ihnen in einem großen Konzern arbeitet, weiß, dass der Vertrieb stets eine besondere Machtposition innehat, weil der Kontakt zum Kunden stets zu den wichtigsten Werten eines Unternehmens gehört. So müht sich SAP seit Jahrzehnten ab, insbesondere den CRM-Teil seines Softwarepakets zu verbessern.
Doch CEO Klein hat mit diesem Ziel nun gebrochen. Qualtrics als
Köder für Vertriebsmannschaften wird abgestoßen.
Online-Marktforschungsdaten sind laut CEO Klein auch in die
SAP-Software integrierbar, wenn Qualtrics nur noch Partner und
nicht mehr Tochter ist. Das heißt aber auch, dass Qualtrics seine
Daten künftig auch Wettbewerbern, vielleicht sogar Salesforce, zur
Verfügung stellen kann.
Außerdem würden die Stellenstreichungen insbesondere im Bereich
der CRM-Software vorgenommen, da man dort nicht Marktführer sei.
Das Unternehmen konzentriere sich auf seine Kernprodukte, mit
denen man Marktführer sei und weltweit weiter Marktanteile
hinzugewinne, so CEO Klein.
SAP hält noch 70% an Qualtrics. Beim aktuellen Kurs würde SAP die
für 8 Mrd. USD übernommene Qualtrics zu etwas mehr als 8 Mrd. USD
an den Markt bringen. Obwohl Qualtrics seinen Kundenstamm unter
dem Dach von SAP in den vergangenen vier Jahren verdreifachen
konnte, wird das Unternehmen nun Plusminus Null verkauft. Die
Aktie von Qualtrics sprang letzten Donnerstag um 30% an. Daran ist
ablesbar, dass SAP wohl eher eine Last für das Unternehmen
darstellte.
Die 3.000 Stellen, die SAP abbauen möchte, befinden sich
überwiegend im Bereich des CRM. So ist es ein Doppelschlag gegen
die CRM-Ambitionen des Konzerns. Die Aktie von Salesforce,
Tickersymbol CRM, ist letzten Donnerstag um 5% angesprungen.
Allerdings hat Salesforce seine eigenen Meldungen, so dass der
Kurssprung nicht 1:1 auf die Meldung von SAP zurückzuführen ist.
Fokus-Bereiche von SAP Donnerstag Abend war CEO Christian Klein im Interview auf CNBC zu sehen. Seine Botschaft sendete er gleich zweimal in dem 8 Minuten kurzen Interview: SAP hilft Unternehmen in drei Bereichen.
1. Im Bereich der Transformation, wenn also bspw. ein
Energieversorger auf Wasserstoff umstellen wolle, könne er den
Transformationsprozess mit Hilfe der SAP ERP-Software leichter
umsetzen. Ich nehme an, er meint damit, dass SAP im Bereich der
Finanzbuchhaltung Kunden aus jeglichen Branchen hat und somit
entsprechende Umstellungen problemlos im Rahmen vorgefertigter
Lösungen abbilden kann.
2. Im Bereich der globalen Beschaffungsketten müssen Unternehmen
resistenter werden, also gleiche Vorprodukte von verschiedenen
Lieferanten beziehen, um gegen geopolitische Probleme besser
abgesichert zu sein und das Wachstum nicht aufgrund von
Lieferengpässen zu gefährden. CEO Klein bezieht sich hier auf die
Beschaffungslogistik im SAP ERP-System, das weltweit die meisten
Lieferanten angebunden hat und somit reibungslose Prozesse bis hin
zur Produktion der Fertigprodukte ermöglicht.
3. Nachhaltigkeit: SAP habe die Daten, die es Unternehmen
ermöglichen, ESG-Kriterien zu erfüllen.
Damit hat er drei Bereiche in den Fokus gerückt, die derzeit das
Tagesgeschäft in Deutschland dominieren: Energiewende,
Lieferkettenengpässe und ESG-Kriterien.
In den USA geht man jedoch andere Wege: Eine Energiewende braucht
man dort nicht, die USA produzieren mehr Energie als sie
benötigen. Die Lieferkettenprobleme werden nicht durch eine
globale Streuung gefestigt, sondern durch einen Fokus auf die
heimische Produktion. Und ESG ist in den USA nice to have. Die
ESG-Kriterien gelten als willkürlich oder leicht manipulierbar und
eine neutrale, objektive ESG-Bewertung sieht man in den USA noch
in weiter Ferne.
Auf den beabsichtigten Verkauf von Qualtrics angesprochen führt
Klein an, es sei aus geschäftlicher Sicht kein Unterschied, ob die
Partnerschaft mit der Tochter oder dem Partner Qualtrics
fortgeführt werde. Für die Anleger jedoch sei der Verkauf
vorteilhaft, da man gebundenes Kapital in den Konzern zurück hole.
Divididene ohne Wachstum
Spätestens nach dieser Aussage hat sich für mich mein Blick auf
SAP, das einstige Vorzeigeunternehmen Deutschlands, gefestigt: Der
Konzern konzentriert sich auf ERP-Software im Bereich der
Finanzbuchhaltung und der Beschaffungslogistik. Ein Wachstum von
5-8% p.a. lässt sich in diesem Bereich ohne mutige Investitionen
bewerkstelligen. Höhere Wachstumszahlen sind jedoch nicht zu
erwarten, da die Ziele im Bereich des CRM nun aufgesteckt wurden.
Bislang lag die Dividendenrendite meist unter 2% und ist somit zu
niedrig für eine Dividendenaktie in unserem Portfolio (mind.
2,5%). Alle anderen Kriterien werden jedoch erfüllt, so gab es
bspw. in den vergangenen Jahren jedes Jahr eine
Dividendenerhöhung. Nur ein Drittel des Konzerngewinns wird als
Dividende ausgeschüttet. Und das Gewinnwachstum ist aufgrund der
Umstellung auf die Cloud kontinuierlich überproportional zum
Umsatzwachstum.
Ein großer Wermutstropfen stellt das
Mitarbeiterbeteiligungsprogramm dar: 10% des Umsatzes gingen im
Jahr 2021 in Form von SBCs (Aktienausschüttungen) an Mitarbeiter.
Ich kenne SAP als sehr mitarbeiterfreundliches Unternehmen. Doch
10% vom Umsatz ist eine Ziffer, die aus dem Rahmen fällt. An die
Aktionäre wird eine Dividende in Höhe von 2,28 Mrd. Euro
ausgeschüttet, das sind 8% des Umsatzes.
Meine Einschätzung
Immerhin hat CEO Christian Klein die Nachricht verstanden, dass
ausufernde Kosten in konjunkturell anspruchsvollen Zeiten nicht
toleriert werden. Doch seine Kosteneinsparungen beziehen sich auf
Projekte, in denen Phantasie für künftiges Wachstum steckte.
Gleichzeitig kündigt er an, die eingesparten Mittel verstärkt in
die Überarbeitung des Kerngeschäfts zu stecken. Das verunsichert
Kunden, denn die waren davon ausgegangen, dass die Kernprodukte
bereits State of the art sind. Gleichzeitig verunsichert das auch
Aktionäre, die sich nun fragen, wo denn künftiges Wachstum
herkommen soll.
Grundsätzlich ist es natürlich nicht verkehrt, das eigene Produkt
sauber aufzustellen und die eigene Kernkompetenz auszubauen. Doch
das höre ich von SAP seit 30 Jahren und ich warte vergeblich
darauf, dass die tolle Software mal dafür eingesetzt wird, einen
neuen Geschäftsbereich als Erstes zu besetzen. SAP wird damit
immer mehr zum "Versorger" der Softwareindustrie, ein
Basisinvestment ohne große Marge. Solche Unternehmen sind gute
Dividendenbringer, doch eine attraktivere Dividende wird durch
eine zu hohe Mitarbeiterbeteiligung vereitelt.
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