Portfolio Updates zur Zinswende und zum Jahreswechsel
21.12.21 10:30
Stephan Heibel
Ich gehe ausführlich auf die zu erwartenden Änderungen durch die neue Geldpolitik in den USA ein. "Zinswende" lautet der Begriff, der in den kommenden Monaten, vielleicht Quartalen, Bestandteil der Diskussionen sein wird. Haben wir die Zinswende bereits vollzogen? Und wenn ja, welche Aktien sollte man meiden, welche kann man besitzen? Eines steht fest: Im Umfeld steigender Zinsen müssen wir deutlich selektiver bei der Aktienauswahl sein.
Die USA gehen nun mit großen Schritten auf eine Normalisierung
der Geldpolitik zu. Zinserhöhungen für das kommende Jahr gelten
als sicher und entsprechend bereiten sich Anleger darauf vor. Wir
kommen also in eine Phase der Zinsanhebungen, auch wenn dies im
Euroland von der EZB noch ignoriert wird. Auch europäische Anleger
werden sich bereits jetzt auf diese Marktphase vorbereiten,
beziehungsweise sind bereits dabei.
Steigende Zinsen versetzen viele Anleger in Angst und Schrecken.
Insbesondere junge Anleger, die in besonders volatile Aktien
spekulierten, haben schwache Nerven und werden in ihrer Angst auch
sehr schnell bestätigt. Denn je höher das Bewertungsniveau von
Aktien, desto volatiler die Aktie. Und gerade Aktien mit hohem
Bewertungsniveau leiden in der ersten Phase der Zinsanhebungen.
Ich habe den Effekt bereits mehrfach hier im Heibel-Ticker
beschrieben: Die Bewertung von Wachstumsunternehmen beruht zu
einem sehr großen Teil auf den Einnahmen, die in der fernen
Zukunft erwirtschaftet werden. Die in der Zukunft erwarteten
Einnahmen werden für die Wertberechnung auf den heutigen Zeitpunkt
"abdiskontiert". Je höher das Zinsniveau, desto größer der Effekt
der Abdiskontierung. In einem Nullzinsumfeld sind Einnahmen des
Jahres 2030 mehr wert als im Umfeld einer Inflationsrate von 5%.
Die Kaufkraft der zukünftigen Einnahmen sinkt.
Daher werden alle Aktien, deren Bewertung zu einem Großteil auf
zukünftigen Einnahmen beruhen, derzeit ausverkauft.
Kurs/Umsatz-Verhältnisse von 5, 10 oder gar 50 werden nicht mehr
toleriert. Anleger schauen nur noch auf die
Kurs/Gewinn-Verhältnisse (KGV), die möglichst in einem guten
Verhältnis zur Wachstumsgeschwindigkeit stehen sollten. Die
Highflyer der Corona-Zeit haben es daher nun schwer, auch wenn
Omikron nochmals stärkere Kontaktbeschränkungen erfordern sollte.
Daraus dürfen wir jedoch nicht ableiten, dass die Konjunktur
einbricht. Die Wirtschaft besteht nicht nur aus Startups und
SPACs. Unternehmen mit niedrigem KGV und stabilem Geschäft werden
profitieren. Insbesondere diejenigen Unternehmen, die den Preis
für ihr Produkt der Inflation anpassen können, werden keine
Probleme haben. Daher wenden sich Anleger nunmehr diesen
Unternehmen zu.
Irgendwann wird das Zinsniveau so hoch sein, dass nicht mehr die
stimulierende Wirkung aufgehoben, sondern die Wirtschaft sogar
gebremst wird. Das könnte so ungefähr ab einem Leitzins von 2%
oder 2,5% der Fall sein, vielleicht aber auch erst bei 3%. Wenn
dieses Zinsniveau absehbar ist, also vermutlich 6-9 Monate zuvor,
werden Anleger auch konjunktursensitive Aktien verkaufen. Es
könnte meiner Einschätzung nach noch bis 2023 dauern, bis diese
Befürchtung einzieht. Aber das Timing ist schwer, ich werde diese
Frage im kommenden Jahr immer wieder neu bewerten.
Zum einem Crash wird es aber auch dann noch nicht kommen. Es gibt
lediglich immer weniger Aktien, die in der jeweiligen
Konjunkturphase profitieren. Ein Aktienmarktcrash ist erst dann zu
befürchten, wenn die Notenbank das Zinsniveau zu schnell nach oben
schraubt, oder aber das Zinsniveau zu hoch ist. Das ist jederzeit
möglich. Zuletzt hat Jay Powell im Jahr 2018 allein mit der
Ankündigung von regelmäßigen Zinsanhebungen für einen Crash
gesorgt. Er musste diese Absicht schnell wieder revidieren. Heute
hat er keine dogmatischen Zinsschritte angekündigt, sondern
versprochen, jederzeit eine neue Lagebeurteilung vorzunehmen. Ich
habe daher wenig Angst vor zu schnellen oder zu weit führenden
Zinsanhebungen, solange Jay Powell Notenbankchef ist.
Wir müssen uns also von den Highflyern, die in den vergangenen
Monaten so viel Freude bereitet haben, verabschieden. Ehrlich
gesagt: Das haben wir längst getan. Marvell, Linde, Beyond Meat,
Twitter und Nvidia haben wir schon längst verkauft. Auch Paypal
hatten wir verkauft, doch im Oktober haben wir die Aktie zu früh
zurückgekauft. Zu früh, denn es folgte die Anpassung des
Bewertungsniveaus für Paypal, unsere Position ist mit 21% im
Minus.
Ich habe alle unsere Positionen den beiden wichtigen Fragen
unterzogen: Ist das Bewertungsniveau zu hoch? Und besitzt das
Unternehmen die Möglichkeit, inflationäre Tendenzen durch
Preissteigerungen an die Kunden weiterzugeben?
Die bewerteten Positionen sind: Südzucker-Anleihe, Deutsche Post,
Münchener Rück, BASF, Medios, BioNTech, Flatex, Spotify, Wheaton
Precious Metals, Skyworks Solutions und Airbus.
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