Zwei von drei Krisen zeigen hoffnungsvolle Entwicklungen
07.07.22 09:21
Stephan Heibel
Wann ist Schluss? Wann werden wir einen Boden erreichen?
Wenngleich die Sentimentanalyse Woche für Woche zumindest bei den
zeitlichen Indikatoren neue negativ-Rekorde austeilt, so bleibt
das absolute Ausmaß der Angst und Panik noch immer hinter den
Extremwerten des Coronacrashs zurück.
Ist das ein Zeichen dafür, dass die Erkenntnis, dass unsere Welt
nicht mehr so aussieht wie gestern, nur langsam durchsetzt? Wie
gravierend sind die Änderungen? Der Handel mit Russland scheint
auf absehbare Zeit beendet. Wird sich der Konflikt noch auf China
ausweiten? Bislang setzen Unternehmen auf ein Wiederanlaufen der
Wirtschaft in China.
Ich kann Ihnen nicht beantworten, wohin sich dieser Konflikt
entwickeln wird. Aber was mich am meisten erstaunt, ist die
Linearität, mit der Gewissheiten über Bord geworfen werden. Es
scheint keine Optimisten mehr zu geben, stets setzt sich das
schlimmste Szenario als neue Realität durch.
Insofern muss ich mich fast schon entschuldigen dafür, dass ich
schon wieder nach positiven Entwicklungen Ausschau halte. Es ist
halt tief in mir drin, dass ich stets auch die andere Seite
beleuchten möchte. Und wenn gar keiner mehr an positive
Entwicklungen glaubt, dann ist es mir ein Ansporn, diese doch zu
finden.
So habe ich in Kapitel 02 unserer aktuellen Heibel-Ticker Ausgabe
bereits darauf hingewiesen, dass die Corona-Restriktionen in China
teilweise zurückgenommen wurden. Wir gehen jetzt in die
Sommerferien. Was, wenn nach den Sommerferien die Lager voll sind?
Was, wenn die Menschen aus Angst vor der Rezession nicht mehr
einkaufen und Einzelhändler ihre Produkte mit Rabatt auf den Markt
schmeißen müssen? Die Inflation würde augenblicklich zurück gehen.
Sämtliche Getreidepreise sind seit dem Hoch Mitte Mai um 33%
eingebrochen. Der Preis für Sojaöl ist seit Ende April um 27%
zurück gegangen. Der Ölpreis ist seit März um 19% gefallen. Der
Goldpreis ist um 14% gefallen, Silber sogar um 28%. Kupfer um 29%.
Baumwolle kostet heute 35% weniger als noch vor zwei Monaten.
Spitzenreiter ist das für die Bauindustrie wichtige Holz: -55%!
So sieht keine Inflation aus, die man nicht mehr in den Griff
bekommt. Nahrungsmittel, Elektronik aus Asien, Baumaterial, selbst
Edelmetalle und ... ja, leider auch Aktien, alles ist in den
vergangenen Wochen deutlich billiger geworden. Bleibt noch die
wichtigste Komponente: Löhne und Gehälter.
Lohnverhandlungen stehen an und es werden schon Eckpunkte
ausgerufen: +8% habe ich gehört, +11% und noch mehr. Wer mich
kennt, der weiß, dass ich seit vielen Jahren überzeugt dafür
eintrete, dass in vielen Bereichen die Gehälter viel zu niedrig
sind, also erhöht werden sollten. Ausgenommen davon sind Manager
von Unternehmen, die nicht ihnen gehören. Dort stehen Gehalt und
Risiko in keinem vernünftigen Verhältnis mehr. Doch in den
einfachen Berufen täte eine ordentliche Gehaltserhöhung gut.
Oder vielleicht auch andersrum: Vielleicht täte eine große
Steuererleichterung auch gut, damit das Netto wächst. Unser Staat
bleibt sonst am Ende des Euros auf den Schulden der anderen
alleine sitzen.
Aber egal, das gehört hier nicht her. Selbst wenn wir in der
nächsten Lohnrunde ordentliche Lohnsteigerungen beobachten
sollten, ist das in meinen Augen noch kein Alarmsignal dafür, dass
sich die Inflation verselbständigt. Ein bisschen höhere Löhne
können wir hier noch verkraften.
Ich würde also sagen, es gibt deutliche Entspannungssignale an der
Inflationsfront noch bevor die EZB ihren ersten Zinsschritt
vollzogen hat. Nicht schlecht, was hier mit der "Forward Guidance"
bereits erreicht wurde.
Zwei von drei Krisen zeigen also deutliche Entspannungssignale:
Inflation und China (China steht sowohl für fehlende Nachfrage
durch Lockdown als auch gestörte Lieferketten durch Lockdown).
Wenn es bei zwei von drei Krisen Besserung gibt, dann könnte ein
herunter geprügelter Aktienmarkt durchaus mal eine
Zwischenerholung einlegen.
Wir sind inzwischen vollständig investiert, segeln also nun mit
vollem Risiko. Bin ich mir sicher, dass es nicht noch tiefer geht?
Nein. Aber wenn, dann dürfte es von diesem Niveau aus schnell
gehen, gefolgt von einer zügigen Erholung. Das würde ich nun
aussitzen.
Aber vielleicht haben wir ja den maximalen Verkaufsdruck in den
vergangenen Tagen erlebt und mit dem Start des neuen Quartals, des
neuen Halbjahres, kommt nun frisches Kapital an den Markt und
zündet die lang ersehnte Erholung. Wir werden es sehen.
Mehr Infos und Updates bekommen Sie wöchentlich im Heibel-Ticker.
powered by stock-world.de
Der Ölpreis ist stark rückläufig. Als Grund würde ich die Rezessionssorgen ...
Ich habe mich detailliert mit der Börsenphase 1965 bis 1982 beschäftigt. Auch damals ...
Liebe Börsenfreunde, die Zinsentscheidung der EZB war in meinen Augen so etwas wie ein ...
Ich habe mir Zalando und About You detailliert angeschaut, da ich diese beiden Online-Händler extrem ...
Energiekrise, Inflation, ... letzte Woche fragte mich eine Kundin, bis wann der Aktienmarkt denn aller Voraussicht ...
Weder Fisch noch Fleisch – diese Redewendung lässt sich auf die Entwicklung des Goldpreises in ...
Die Royal Bank of Canada besorgt sich über eine neue Anleihe Fremdkapital. Die Anleihe (WKN A3K717) ...
Trend des Tagescharts: Seitwärts/Abwärts DAX Chartanalyse: Rückblick und kurze ...