Pandemie-Schock 2.0
01.12.21 12:13
Michael Beck, Leiter Portfolio Management
Man
wusste, dass der Herbst und Winter schwierig werden würde. Aber
außer den einschlägig bekannten Virologen und Epidemiologen haben
wohl die meisten, allen voran die Politik die Wucht dieser vierten
Welle unterschätzt. Die inzwischen doch noch eingeführten
Verschärfungen (z.B. 2G-Regelungen) haben dazu geführt, dass die
stockende Impfkampagne und das Boostern wieder deutlich in Schwung
gekommen sind. Für die Wirtschaft bedeutet dies jedoch wieder
einen empfindlichen Rückschlag, da viele umsatzstarke
Weihnachtsmärkte und auch Veranstaltungen wieder abgesagt werden
müssen.
Die allgemeine Konsumlust privater Verbraucher (+6,2% zum Vorquartal) hat maßgeblich dazu beigetragen, dass das deutsche BIP im dritten Quartal um +1,7% wachsen konnte. Nun scheinen das Wiederaufleben der Covid-19-Pandemie und die starken Anstiege der Inflationsraten das Konsumklima doch etwas einzutrüben. Der GfK-Konsumklimaindex taucht für den Dezemberwert wieder von +1,0 (November) auf -1,6 Punkte ab. Dies trifft den Einzelhandel gerade zum wichtigen Weihnachtsgeschäft besonders hart, da im November und Dezember generell der Löwenanteil der Jahresumsätze erzielt wird.
Nun
schreckt eine neue Virus-Variante, die wohl aus dem südlichen
Afrika stammt und nach dem griechischen Buchstaben „Omikron“
benannt ist, die Welt auf. Die Erwartung von neuerlichen
Einschränkungen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens mit
entsprechend negativen Auswirkungen auf die wirtschaftliche
Entwicklung ließen letzten Freitag nicht nur den DAX um 5%
einbrechen, sondern auch viele andere internationale Indizes
einschließlich USA und Asien. Bereits kurz nach Ausbruch der
Ur-(Alpha)-Variante des COVID-19-Virus kündigten Virologen Anfang
2020 an, dass bei dieser Art von Corona-Viren mit regelmäßigen
Mutationen zu rechnen sein würde. Dies verknüpften sie mit der
Hoffnung, dass sich die Gefährlichkeit im Zuge dieser Mutationen
in der Regel eher abschwächt als verschärft.
Allerdings
wartet die Welt noch auf die Mutante, die einen generell
schwächeren Verlauf mit sich bringt. Ersten Berichten aus
Südafrika zufolge könnte es bei der Omikron-Variante tatsächlich
soweit sein, auch wenn dort bisher eher jüngere Menschen infiziert
wurden, die meist schwächere Symptomverläufe zeigen.
Wissenschaftler und Labore arbeiten weltweit daran, die
Gefährlichkeit dieser Omikron-Variante zu ermitteln und zu prüfen,
inwieweit die bisherigen Impfstoffe auch bei dieser Variante ihre
Wirksamkeit beweisen können. Dies wird etwa zwei Wochen dauern,
was dann auch die Zeitspanne der erhöhten Unsicherheit an den
internationalen Börsen umfassen wird.
Die Impfstoff-Firma Biontech hat bereits gemeldet, an einem auf die neue Omikron-Variante angepassten Impfstoff zu arbeiten. Die Impfungen respektive das Boostern dürften weiter helfen, schwere Krankheitsverläufe zu vermeiden, was den Fokus auf die mangelhafte Impfquote in Deutschland richtet. Die Wirtschaft, insbesondere die schon im letzten Jahr gebeutelten Branchen Hotel- und Gaststättengewerbe, Veranstaltungs-, Messe und Kulturwesen, aber auch der Einzelhandel leiden wieder einmal darunter, dass sich immer noch zu viele Menschen der Impfung verweigern.
Es ist
erstaunlich, von wie vielen Politikern nun eine allgemeine
Impfpflicht für möglich gehalten wird, die noch vor wenigen Wochen
kategorisch ausgeschlossen wurde. Dies liegt daran, dass sich die
katastrophale Lage in den Krankenhäusern weiter verschärfen wird.
Nun hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die
Bundesnotbremse in „der äußersten Gefahrenlage der Pandemie“
verfassungsgemäß war. So ist auch in der aktuellen Situation
durchaus vorstellbar, dass flächendeckende Lockdowns wieder
möglich werden.
Für Kapitalanleger gibt es somit zwei Szenarien: stellt sich heraus, dass die neue Omikron-Variante beherrschbar bleibt und zwar ansteckender aber dafür ungefährlicher ist, stellen die aktuellen Kursturbulenzen günstige Einstiegskurse dar. Ist dies nicht der Fall, wird an den Börsen das, was billig geworden ist, eher noch billiger. Eine eher defensive Ausrichtung mit einer Cash-Quote von mind. 10% und der ein oder anderen Absicherungsposition ist in dieser von Unsicherheit geprägten Lage angezeigt.
Vor diesem Hintergrund verblassen die aktuellen Inflationsdaten, die in Deutschland zum Vorjahr um 6,0% gestiegen sind. Die Diskussion darüber dürfte sich jedoch nicht nur im EZB-Direktorium verstärken. Wir werden uns deshalb in der nächsten Woche vor allem diesem Thema widmen.
www.ellwanger-geiger.de/privatbank
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