Suchen
Login
Anzeige:
Fr, 31. März 2023, 2:18 Uhr

Hoffnung auf nachlassenden Einfluss der Corona-Krise auf Konjunktur und Kapitalmärkte


24.09.21 11:47
DONNER & REUSCHEL AG

Hamburg (www.aktiencheck.de) - Die zuletzt sinkenden Corona-Neufallzahlen, u.a. in vielen europäischen Staaten und den USA, nähren die Hoffnung, dass der Einfluss der Pandemie auf Konjunktur und Kapitalmärkte in den kommenden Wochen nachlässt, so Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL AG.

Allerdings bleibe das Problem zum Teil sehr niedriger Impfquoten in vielen Schwellenländern. Neben humanitären Härtefällen würden bei steigenden Fallzahlen auch wirtschaftlich negative Rückwirkungen drohen. Zudem bestehe die Gefahr, dass bei hoher Infektionsdynamik neue Virusvarianten entstünden, durch die die steigende Immunität der Weltbevölkerung übersprungen werden könnte.

Die jüngsten Schnellschätzungen der Markit-Einkaufsmanagerindices hätten allerdings noch eine Belastung der Geschäftsaussichten der Unternehmen, v.a. im Dienstleistungsbereich, aufgrund der Befürchtung künftig erneut notwendiger Shutdown-Maßnahmen verdeutlicht. In China sei der Einkaufsmanagerindex des Dienstleistungssektors sogar unter die Expansionsmarke von 50 Punkten gerutscht, da neben Corona-Restriktionen auch die insgesamt nachlassende Wachstumsdynamik sowie die Verunsicherungen rund um den Ausfall des Immobilienentwicklers Evergrande die Stimmung belastet hätten. Entsprechend sei auch das Wachstum der Einzelhandelsumsätze im August mit einem Plus von 2,5 Prozent sehr schwach ausgefallen.

Auch im Verarbeitenden Gewerbe sei die Zuversicht der Unternehmen gemäß Umfrage von Markit weltweit deutlich gesunken, zeichne aber weiterhin das Bild einer steigenden Produktion in den kommenden Monaten. Gründe seien hier vor allem die anhaltenden Lieferengpässe bei vielen Vorprodukten und Rohstoffen, knappe Transportkapazitäten sowie Schwierigkeiten, genügend ausreichend qualifiziertes Personal zu akquirieren und daraus resultierende erhebliche Produktionskostensteigerungen.

Da diese noch immer weitgehend an die Endverbraucher durchgereicht werden könnten, bleibe auch die Inflationsdynamik in den kommenden Monaten hoch. Zwar würden am Anfang des kommenden Jahres einige preistreibende Einmal- und Basiseffekte auslaufen, trotzdem dürfte die historisch beispiellose Lücke zwischen rekordhohen Auftragseingängen und kapazitätsbedingt ausgebremster Produktion, bspw. in der deutschen Industrie, nicht kurzfristig abgebaut würden und entsprechend den Preisdruck hochhalten würden.

Vor diesem Hintergrund habe sowohl die EZB als auch die US-Notenbank FED zuletzt ihre Inflationsprojektionen angehoben und würden nunmehr für die Eurozone 1,7 Prozent in 2022 sowie 1,5 Prozent in 2023 bzw. in den USA jeweils 2,2 Prozent in den kommenden beiden Jahren erwarten. Allerdings sei davon auszugehen, dass diese Erwartungen aufgrund der Fülle an preistreibenden Faktoren noch zu gering bemessen seien. Untermauert werde das Bild anhaltend höherer Inflationsraten durch die Annahme eines auch im kommenden Jahr überdurchschnittlichen Wachstums in vielen Regionen weltweit. So rechne die OECD gemäß ihres aktuellen Economic Outlook nach 6 Prozent globalem Wachstums in diesem mit 5,7 Prozent Wachstum im kommenden Jahr.

Die FED habe trotzdem in ihrer letzten Zinssitzung die Reduzierung der monatlichen Wertpapierkaufvolumina (Tapering) noch nicht konkret angekündigt. Es sei davon auszugehen, dass die Notenbanker zunächst den September-Arbeitsmarktbericht abwarten wollten, um den weiteren Kurs festzulegen. Da Anfang September erhebliche Unterstützungszahlungen für nicht arbeitende Menschen in den USA eingestellt worden seien, sei davon auszugehen, dass die Anzahl an neu geschaffenen Stellen deutlicher steige als in den letzten Monaten. Dann wäre der Weg frei für eine Konkretisierung der Taperingpläne in der nächsten Zinssitzung Anfang November und einen Start des Taperings Anfang 2022.

Die Situation rund um die Pleite des Immobilienentwicklers Evergrande in China sei nicht ganz klar. Offensichtlich sei die gestern fällige Zinszahlung auf eine in US-Dollar-Anleihe des Unternehmens zumindest nicht vollständig vorgenommen worden. Eindeutig sei, dass die Regierung in Peking nicht gewillt sei, das Unternehmen als Ganzes zu retten. Es sollten aber die schlimmsten Nebenwirkungen für Anleger, Kunden, finanzierende Banken, andere Immobilienentwickler und die Kapitalmärkte begrenzt werden. Entsprechende Anweisungen seien an die chinesischen Regionalregierungen ausgegeben worden. Grundsätzlich sei positiv, dass man das Problem erkannt habe und die Auswirkungen eingrenzen möchte. Die vagen Handlungsanweisungen dazu würden jedoch das Risiko erhöhen, dass es zu Fehlern in der politischen Umsetzung komme und daraus doch noch größere Turbulenzen entstehen könnten. Evergrande dürfte die Märkte daher in den kommenden Wochen weiterbewegen.

Die Bundestagswahl am Wochenende dürfte kurzfristig kaum Auswirkungen für die internationalen Börsen haben. Da zwischen Union und SPD ein Kopf-an Kopf-Rennen möglich sei und voraussichtlich bis zu sechs verschiedene Regierungskonstellationen infrage kämen, werde sich erst eine neue Koalition herauskristallisieren müssen, bevor Rückschlüsse auf den mittel- bis langfristigen Kurs der Bundesregierung möglich seien. Grundsätzlich stehe die neue Regierung vor enormen Herausforderungen, bspw. die Bewältigung der Corona-Pandemie und wichtige Weichenstellungen bzgl. der Digitalisierung, des Klimawandels und demografischer sowie geopolitischer Entwicklungen, die ein zeitnahes Anpacken erfordern würden. (24.09.2021/ac/a/m)




 
Werte im Artikel
8,70 plus
+7,41%