Folgen verfehlter Energiepolitik
28.06.22 09:36
Stephan Heibel
Die Energiepolitik der vergangenen Jahre hat uns in eine Sackgasse manövriert. Ich diskutiere frei von Denkverboten, wie sich die aktuelle Situation darstellt und was wir für die kommenden Monate erwarten/befürchten müssen.
Internationale
Anleger verabschieden sich von Deutschland. Die Exportnation kann
in einer Welt, die sich deglobalisiert, nicht exportieren. Die
Industrienation kann in einer Welt ohne Rohstoffe und Energie
nicht produzieren. Eine Rezession in Deutschland scheint eine
ausgemachte Sache zu sein, die Frage ist nur noch, wie heftig sie
ausfallen wird.
Und so haben die Aktien des Industriesektors letzte Woche um 4,1%
nachgegeben. Die Norma Group führt die Verlustliste mit -10% an,
gefolgt von Gerresheimer und Krones mit -8%. Wacker Nelson, Deutz
und Heidelberger Druck haben 7% verloren.
Auch die Chemiebranche ist unter Druck, das Wochenminus beläuft
sich dort auf 3,6%. Wacker Chemie -10%, Brenntag sogar -11% und
die Giganten Bayer und BASF jeweils -7%.
Es ist ein Gemisch aus Angst vor knappen Rohstoffen und Angst vor
einer Rezession: Zunächst sind die Rohstoffpreise durch die Decke
gegangen, weil die laufenden Produktionsprozesse händeringend das
jeweils knappe Gut benötigte, egal zu welchem Preis. Vor dem
Hintergrund der nun drohenden Rezession ist das Verhalten jedoch
umgeschlagen:
Statt eine Produktion durch eine hoffentlich kurze Durststrecke teuer am Laufen zu halten, stellt man sich nun auf eine längere Durststrecke ein und drosselt die Produktion, stellt sich auf ein niedrigeres Produktionsniveau ein. So wird die Rezessionsangst zur selbst erfüllenden Prophezeiung.
Die Rezessionsangst ist in die Managementetage
vorgedrungen. Sichtbar wird das an der Performance des
Rohstoffsektors in der vergangenen Woche, denn dieser Sektor
erzielte mit -7,4% das größte Minus. Stahlkonzerne ThyssenKrupp
und Salzgitter brachen um jeweils 16% ein, Kupferhütte Aurubis um
12%, Stahlhändler Klöckner um 9% und Stahl- und Aluminium-Recycler
Befesa um 8%.
Besonders
gut sichtbar wird die dramatische Situation in Deutschland und
Europa am Gaspreis: Die Lösung unserer Bundesregierung waren
Gasimporte. Flüssigerdgas aus Qatar und den USA soll uns durch den
kommenden Winter bringen, selbst wenn Putin uns das Gas abdreht.
Nun gab es vor ca. 2 Wochen in Texas in einem Flüssiggasterminal
eine Explosion, die dortige Flüssiggasproduktion wird wohl bis
Ende des Jahres ausfallen (ich berichtete in einem Update
darüber). Zunächst sprach man von wenigen Wochen, doch schnell
wurde das verheerende Ausmaß der Explosion sichtbar und so spricht
man nun von einem Ausfall bis Ende des Jahres. 20% der
Flüssigerdgasexporte der USA laufen über dieses Terminal, knapp
die Hälfte der dortigen Produktion war direkt für Europa bestimmt.
Seit dem Vorfall ist der Flüssigerdgaspreis in Europa um 60%
angesprungen. In den USA hingegen hat man nun viel Erdgas, das
nicht exportiert werden kann. Es muss innerhalb der USA verbraucht
werden, der Erdgaspreis in den USA ist um 30% eingebrochen. Was
uns fehlt, haben die USA zu viel, doch es gibt keine Möglichkeit,
das Zeug nach Europa zu bringen.
Damit hat
der Ausverkauf der deutschen Industrie begonnen. Internationale
Anleger, die ihre Bayer-Aktien flugs in DuPont-Aktien tauschen
können, profitieren von dieser Entwicklung. Da wir hier in
Deutschland jedoch aus irgendeinem Grund davon ausgehen, dass
unsere Probleme in dem Rest der Welt ganz ähnlich sind, bleiben
wir überraschend ruhig. Mit Ausnahme von Robert Habeck, der schon
von einem drohenden “Lehman-Moment” spricht, Energiekonzerne “aus dem
Markt fallen” sieht und von einer “schweren Rezession” spricht.
Derweil hat China seine Ölimporte aus Russland verdoppelt, Indien
sogar verdreißigfacht. Die Idee, Russland durch die Sanktionen zu
schaden, scheint nicht ganz aufzugehen. Dennoch spricht Habeck
davon, dass ein Abdrehen des Gashahns für Deutschland durch Putin
ein Zeichen des Erfolges sei: Putin könne sich von dem Gas-Geld
nichts mehr kaufen, dann brauche er das Geld auch nicht: Zitat: „Es ist richtig, Putin bekommt Geld durch den
Verkauf fossiler Energien, aber er kann sich davon immer
weniger kaufen, weil der Westen so viele Güter sanktioniert
hat. Und weil er sich mit diesem Geld nichts mehr kaufen kann,
sagt er: Dann brauche ich das Geld nicht mehr, und ich
reduziere das Gas.”
Diese Aussage als Träumerei abzutun, ist in meinen Augen eine
Verniedlichung der Augenwischerei, mit der er noch immer an der
schlecht strukturierten Energiewende festhält. Statt Alternativen
zu fördern, wurde bestehende Infrastruktur verboten, während
Förderungen der Alternativen zeitgleich reduziert wurden. Dadurch wurde jegliche
Investitionssicherheit für alternative Energien durch politische
Willkür zerstört.
Die Lösung liegt immer in der Mitte: Nachdem Energiekonzerne über
Jahrzehnte auf Kosten der Umwelt dicke Gewinne eingefahren haben,
wurden anschließend jeglichen Alternativen viel zu früh der Boden
unter den Füßen entzogen. Nur langsam werden nun die
Notfall-Alternativen diskutiert.
Abschließend noch ein weiterer Gedanke: Wir stellen die Welt der
Verbrenner-Autos auf Elektromobilität um. Plastiktüten, eine
weitere umweltschädliche Anwendung von Öl, sind zum großen Teil in
Deutschland bereits verboten. In einem Interview sagte der CEO von
Exxon Mobile diese Woche, dass der Ölabsatz des größten Ölkonzerns
der Welt im Jahr 2040, wenn nur noch Elektroautos verkauft werden,
auf dem Niveau von 2013 sein werde … und im Jahr 2013 habe man
auch nicht schlecht verdient.
Soll heißen, es gibt so viele Anwendungen für “technische
Kunststoffe”, so der Marketingbegriff für Plastik mit bestimmten
Eigenschaften, dass die Verbrennermotoren anteilig immer weniger
ins Gewicht fallen. Plastik kann ganz gezielte Eigenschaften in
Hitzebeständigkeit, Bruchfestigkeit, Dehnbarkeit, Haltbarkeit, …
haben, dass ein Verbot von einzelnen Anwendungen im Wachstum der
Ölprodukte lediglich kleine Stolpersteine darstellen.
Mein Lösungsvorschlag: Das
effizienteste Instrument, das ich kenne, ist der
CO2-Zertifikatehandel. Nicht Verbote und Förderungen führen zu
Innovation, sondern der freie Markt mit verlässlichen
Rahmenbedingungen.
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