Der Boden ist bis auf Weiteres vorläufig, es sei denn...
30.06.22 08:47
Stephan Heibel
Zwischenerholung oder Ende der Baisse? Hier lesen Sie, was wir für ein Ende der Baisse benötigen und welche Entwicklung ich kurzfristig für die kommenden Wochen erwarte.
Die Voraussetzung
für eine deutliche Erholung am Aktienmarkt ist gegeben: Angst und
Panik haben meiner Einschätzung nach sämtliche negativen
Entwicklungen eingepreist. Robert Habeck spricht sogar offen
darüber, dass Putin aus politischen Gründen jederzeit den Gashahn
vollständig zudrehen könnte. Und selbst verlängerte Laufzeiten für
die Kohlekraftwerke werden diskutiert. In den USA fällt das
Terminal aus, über das der größte Teil der deutschen
LNG-Lieferungen laufen soll. Ich denke, das sind schon deutliche
Zeichen für extremes Chaos, aus dem wir hoffentlich bald einen
Phönix aufsteigen sehen.
Brauchen wir noch die Verlängerung der Atomkraftwerke? Aus
Börsensicht würde ich dazu sagen: Ich weiß nicht, ob das eine
erforderlicher Voraussetzung für steigende Kurse ist. Ich weiß,
dass die Kurse nach oben springen würden, sollte sich eine
verlängerte Nutzung der Atommeiler abzeichnen. Doch ich halte das
für eher unwahrscheinlich.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine verläuft nicht so, wie wir
Europäer es uns wünschen würden. In den USA spricht man offen
darüber, dass Deutschland der Ukraine nicht helfen könne, weil man
von Russland nach wie vor abhängig sei. Woran auch immer es liegen
mag, es verdichten sich leider die Anzeichen, dass Russland den
Osten der Ukraine erobern wird.
Während in den Berichten stets davon gesprochen wird, dass
Russland nicht "siegen" könne und dass man Russland aus der
Ukraine vertreiben werde, könnte die Realität anders aussehen: In
gar nicht zu ferner Zukunft könnten sich die Ostgebiete der
Ukraine unter russischer Kontrolle für unabhängig erklären und
Russland könnte Friedensverhandlungen anbieten. Eigentlich
undenkbar, werden sich nun viele von Ihnen empören, doch wie
gesagt: Die Realität ist nicht immer schön.
Ewig wird China
seine Null-Covid-Politik nicht fortführen können. Böse Zungen
behaupten, es sei eine Strategie, um den Westen zu schwächen. Doch
auch ein autokratisches System kann die eigene Bevölkerung nicht
ewig wegsperren. Jederzeit könnte die überraschende Meldung
veröffentlicht werden, dass BioNTechs mRNA-Impfstoff in China
eingesetzt wird. Oder vielleicht kommt die Meldung, China habe
eine eigene mRNA-Lösung mit ähnlich hoher Wirksamkeit gefunden.
Ich weiß weder, wie die Lösung für unsere Energiekrise aussehen
wird, noch wie Friedensverhandlungen möglich sein können, noch wie
China aus der Null-Covid-Politik aussteigen wird. Doch wenn das
passieren sollte, dann werden sie keine Zeit mehr haben, Aktien
einzukaufen. Die größten Gewinne werden dann binnen kurzer Zeit
erfolgen.
Wer also im November in Cash gegangen ist, dem kann ich nur
ehrlich gratulieren. Der wird sich nicht ärgern, wenn er die
ersten 5% der Rallye verpasst. Doch Vorsicht: 5%-Rallyes gab es
seit November schon viele. Vielleicht verpasst er mehr.
Ich habe den Absturz unterschätzt und sitze daher nun auf dicken
Verlusten. Doch es ist die über viele Jahre bewährte Strategie,
mit der ich bereits die eine oder andere Rezession gut überstanden
habe: Investiert bleiben, das Portfolio kontinuierlich den
geänderten Bedingungen anpassen und dann die Rallye hoffentlich
voll mitnehmen.
Natürlich hätten wir ... , aber Lösungen waren jederzeit möglich.
Und wenn ich mir unser aktuelles Portfolio anschaue, dann gibt es
Titel, die dort eigentlich nichts mehr zu suchen haben: BASF
befindet sich im Auge des Sturms der Energiekrise. Trotzdem hält
BASF weiterhin an der hohen Dividende fest. Es werden eigene
LNG-Reservoirs gebaut, die in den kommenden Monaten, also vor dem
Winter, durch LNG-Tankfahrzeuge gefüllt werden, damit das
Unternehmen eigene Reserven hat, sollte es im Winter zu
Rationierungen kommen. Der Konzern ist widerstandsfähiger, als es
der aktuelle Kurs ahnen lässt.
Wenn sich eine Lösung abzeichnen sollte, werden natürlich die
Aktien, die am stärksten ausverkauft wurden, am stärksten
zurückschnellen. Danach ist dann der Zeitpunkt gekommen, um diese
Aktien aus dem Portfolio zu entfernen, denn die Energiepreise
werden in Europa auf absehbare Zeit hoch bleiben, während die
Konkurrenz aus den USA, bspw. DuPont, nur einen Bruchteil für den
größten Kostentreiber bezahlen muss.
Letzten Freitag wurde um 16 Uhr MESZ eine kleine Rallye im DAX
gestartet. In den USA wurden um 10 Uhr dortiger Zeit Daten zum
Immobilienmarkt veröffentlicht: die Verkäufe neuer Häuser sind
stärker angesprungen, als befürchtet. Konstruktiv, würde ich
sagen. Jay Powell möchte die Inflation besiegen. Er möchte, dass
die Energiepreise, die Rohstoffpreise allgemein, und auch die
Hauspreise runter gehen. Ein Weg dorthin sind MEHR Häuser. Wenn
das Angebot steigt, können irgendwann die Preise fallen.
Jay Powell hat aber nicht nur Rohstoffpreise und Hauspreise im
Blick, er schaut auch auf den Aktienmarkt. Inzwischen kommt ein
guter Teil des US-Reichtums durch die Aktiengewinne der
vergangenen Jahre. Auch die hohen Aktienkurse führen dazu, dass
die Nachfrage groß und die Preissensitivität bei den
Kaufinteressenten gering ist. Die Inflation könnte am Aktienmarkt
also entweder durch einen heftigen Aktienmarktcrash bekämpft
werden, oder aber durch einen langsamen Niedergang und eine
längere Phase der Bodenbildung. derzeit sehen wir das zweite
Szenario und ich hoffe, dass es dabei bleibt, bis sich bei den
obigen drei Problemen Lösungen abzeichnen.
Der Juni ist bekannt dafür, dass Korrekturtiefs gebildet werden.
Vielleicht ist es ja auch in diesem Jahr so. Die von mir in
Aussicht gestellten Analystenkommentare, mit denen Kursziele
gesenkt werden, können den Markt aktuell belasten. Auch
überraschende Gewinnwarnungen von Unternehmen, die ihre Q2-Zahlen
anschauen und feststellen, dass die Abweichung zu groß ist, werden
nicht für gute Laune sorgen. Doch jeder Tag ohne ein solches
negatives Ereignis wird positiv verlaufen. Und wenn dann die
Q2-Zahlen veröffentlicht werden, dann wird man besser für den
restlichen Jahresverlauf planen können, denn es dürfte einige
Anpassungen der Unternehmensprognosen geben. Und Gewissheit, das
haben wir in den vergangenen Jahren gelernt, ist immer besser als
Unsicherheit, selbst wenn die Gewissheit nochmals eine negative
Überraschung beinhaltet.
In diesem Sinne würde ich also einen vorläufigen Boden auf dem
aktuellen Niveau erwarten. Leider nur vorläufig, denn die oben
geschilderten Probleme, Energiekrise, Krieg & Null-Covid,
müssen gelöst werden, um die Aktienmärkte nachhaltig nach oben
laufen zu lassen. Solange keine Lösungen in Sicht sind, ist jede
Erholung leider nur vorübergehend.
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